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Von Blattlauslöwen und anderen Nützlingen

Autor: Dr. Michael Neumüller
Zuletzt bearbeitet: 4. Juli 2023
Kategorie: Frühling

Marienkäfer auf dem Blatt eines Apfelbaums auf Nahrungssuche
adulte Florfliege, gut getarnt auf einem Apfelblatt

Wer gleich zur schweren chemischen Keule greift, wenn er einen Schädling wie Blattläuse entdeckt, trifft nicht nur die Insekten, die er als Schädling ansieht, sondern auch jene, die von den Schädlingen leben und vom Gärtner als Nützlinge eingestuft werden. Es geht meist auch anders: In einem intakten Ökosystem – auch einem Agrarökosystem wie dem Garten, den Obstanlagen oder dem Feld – muss der Gärtner in den meisten Fällen nur korrigierend eingreifen, wenn er sich der Zusammenhänge im Ökosystem bewusst ist. Und so möchten wir Ihnen drei wichtige Vertreter von Nützlingen exemplarisch vorstellen. Denn nur, was man kennt, kann man auch schützen!

Zwei Dinge sind dabei sehr wichtig:

  1. Der Gärtner muss die bestmöglichen Bedingungen für die Nützlinge schaffen. Schwebfliegen z. B. brauchen blühende Pflanzen, von denen sie sich als erwachsene Tiere ernähren können. Sonst können Sie auch nur wenige Eier ablegen und sich nicht ausreichend schnell vermehren.

  2. Der Gärtner muss alles unterlassen, was der Entwicklung der Nützlinge schadet. Dazu zählt, zu oft Insektizide einzusetzen oder Insektizide zu verwenden, die lange oder sehr vollständig gegen bestimmte Schädlinge wirken. Sterben z. B. bei einer Spritzung alle Blattläuse, die sich auf den Pflanzen befinden, finden auch die blattlausverzehrenden Nützlinge eine Zeit lang keine Nahrung mehr. Wird die Blattlauspopulation hingegen nur dezimiert, aber nicht komplett ausgelöscht, bleibt zumindest ein Teil der Nahrung vorhanden, und die Nützlingspopulation bricht nicht zusammen. Zu diesen Präparaten gehört z. B. Kaliseife; wird sie gegen Blattläuse ein paar Mal eingesetzt, werden nie alle Blalläuse erfasst.

adulte Florfliege, gut getarnt auf einem Apfelblatt

Der Blattlauslöwe ist die Larve der Florfliege

Die filigran anmutenden, grünlich schimmernden Florfliegen ernähren sich als Erwachsene u. a. von Blattläusen. Sie heften ihre Eier auf mehr als einen Zentimeter langen Stielen auf Blattunterseiten. Gärtnern mit guter Beobachtungsgabe fallen sie rasch ins Auge. Aus den Eiern schlüpfen Larven, die wahrlich gefräßig sind: Ihr Leibspeise sind Blattläuse aller Art, die sie mit ihren Mundwerkzeugen packen. Deswegen werden sie als „Blattlauslöwen“ bezeichnet. Die Larven mancher Florfliegenarten heften Teile der Chitinpanzer ihrer Beutetiere sogar an ihren Rücken; das dient ihnen als Schutzschild und auch als Tarnung. Florfliegen tragen wesentlich dazu bei, dass sich die Blattläuse nicht zu schnell vermehren.

Eine Florfliege hat ihr Ei auf einem Stiel an einem Apfelblatt befestigt. Aus ihm wird ein „Blattlauslöwe“ schlüpfen.

adulte Schwebfliege auf einer Mohnblüte

Schwebfliegen brauchen pollenreiche Blüten

Schwebfliegen sind auffällige Wesen: Die erwachsenen Tiere können im Flug auf der Stelle verharren, daher der Name. Viele Arten haben einen bienen- oder wespenähnlich gelb-schwarz gestreiften Hinterleib. Die Tiere sind aber nicht wehrhaft und besitzen keinen Stachel: Beim „Warnkleid“ handelt es sich um klassische Mimikry, um Fressfeinde abzuhalten. Die ausgewachsenen Tiere sind auf ein reiches Pollenangebot angewiesen, weshalb sie unentwegt pollenreiche Blüten besuchen. Den Pollen nutzen sie als Eiweißquelle für die Eier, die sie bevorzugt in Blattlauskolonien ablegen. Daraus schlüpfen Larven, die entfernt an kleine Nacktschnecken erinnern:

Larve einer Schwebfliege – gut getarnt auf einem Apfelblatt

Die Larven sind sehr mobil. Sie vertilgen eine Vielzahl von Blattläusen. Je nach Nahrungsangebot und Umgebung kann die Farbe der Larven variieren. Schwebfliegenlarven zählen zu den effektivsten Vertilgern von Blattläusen: Bis zu 100 am Tag kann eine Larve am Tag aussaugen. Es gibt Schwebfliegenarten, deren Larven speziell wachsausscheidende Blattläuse vertilgen, die chemisch äußerst schwer zu bekämpfen sind. Dazu zählt die Apfelblutlaus, die sich in jüngster Zeit immer stärker ausbreitet.

Zwei Siebpunkt-Marienkäfer auf einem Zwetschgenblatt

Marienkäfer – der „Klassiker“ unter den Nützlingen

Den Marienkäfer kennt jedes Kind. Neben dem heimischen Siebenpunkt-Marienkäfer findet man in den Gärten häufig den Asiatischen Marienkäfer. Individuen der letzteren Art variieren in der Zahl der Punkte auf den Deckflügeln und auch in der Farbe stark. Es gibt aber noch etliche andere Marienkäferarten, manche sind gelb oder vollständig schwarz, mitunter fressen sie auch andere Tiere wie Milben. Eher unbekannt ist - wohl weil es nicht in das Image passt, das der moderne Mensch dem Marienkäfer übergestülpt hat - dass insbesondere die Larven der Marienkäfer kannibalisch leben, vor allem bei einer Überpopulation. Umso wichtiger ist es für uns als Gärtner, genügend Blattläuse für die Marienkäfer zu belassen, wenn wir notfalls mit Seifenlauge oder einem anderen nützlingsschonenden Insektizid die Blattlauszahl an unseren Kulturpflanzen dezimieren müssen.

Ein Marienkäfer legt die orangefarbenen Eier nesterartig auf einem Apfelblatt ab.

Die Marienkäfer legen orangefarbene Eier meist auf Blättern ab. Daraus schlüpfen Larven, die - zumindest in einem späteren Entwicklungsstadium - meist teilweise orange gefärbt sind. Bis zu 50 Blattläuse pro Tag kann eine Larve vertilgen. Im letzten Larvenstadium kleben sie sich mit dem Hinterleib an der Pflanze fest, häuten sich noch einmal und durchlaufen als sogenannte Mumienpuppe die Metamorphose zum erwachsenen Käfer. Die leeren Mumienpuppen bleiben oft lange an den Pflanzen hängen.

Marienkäferlarve auf einem Birnenblatt.

Marienkäfer fressen übrigens auch Birnblattsauger, wenngleich diese nicht ihre Leibspeise sind.

Blühstreifen in einer Obstanlage am Bayerischen Obstzentrum

Pflanzenvielfalt und beständiges Blütenangebot

Wichtig für das Wohlergehen vieler Nützlinge ist, dass erstens viele Pflanzenarten nebeneinander vorkommen und zweitens möglichst während der ganzen Vegetationsperiode einige davon blühen, um als Nektar- und Pollenquelle verfügbar zu sein. Wenn die Obstblüte vorbei ist und die Wiese zwischen den Obstreihen mehrmals gemulcht wird, bricht für viele Nützlinge daher eine schwere Zeit an.

Im Bio-Obstanbau ist das anders. Hier dürfen bienengefährliche Insektizide gar nicht angewandt werden, weshalb blühende Pflanzen in der Obstanlage immer gerne gesehen sind. Die Obstanlagen werden deshalb nicht komplett gemulcht, so dass immer höheres Gras mit Klee und anderen blühenden Pflanzen vorhanden ist. Zusätzlich sät man inmitten der Obstanlagen extra sogenannte Blühstreifen ein, die nur selten gemäht werden. Die dort entstehende Vielfalt an Pflanzen bietet Nützlingen ideale Bedingungen. Das Photo zeigt einen Ausschnitt aus einem Blühstreifen am Bayerischen Obstzentrum in Hallbergmoos, das nach ökologischen Richtlinien wirtschaftet. Gleich nach der Obstblüte beginnen darin die ersten Blumen zu blühen, das setzt sich bis in den Spätherbst fort. Ohne die Förderung der Nützlinge ist ein biologischer Obstanbau nicht denkbar. Eigentlich ist es nicht einmal eine gezielte Förderung, sondern man lässt lediglich einen vielfältigen Lebensraum entstehen, in dem sich die Nützlinge von alleine dauerhaft ansiedeln.

Im Hausgarten gibt es in aller Regel vom Frühjahr bis zum Herbst blühende Pflanzen, so dass für die Nützlinge zumindet aus dieser Hinsicht stets gute Bedingungen herrschen sollten. Größtes Problem für die Nützlingspopulation im Hausgarten ist, dass immer noch viel zu viele nützlingsschädigende Pflanzenschutzmittel, oft auch zu hoch dosiert und viel zu häufig, angewandt werden. Der Vermerk „nützlingsschonend“ auf der Verpackung eines Pflanzenschutzmittels darf nicht darüber hinweg täuschen, dass auch diese Mittel, insbesondere mehrmals angewandt, vielfach die Entwicklung zumindest einiger Nützlinge hemmen. Insofern ist er kein Freifahrtschein für eine zügellose Anwendung.

Es gibt natürlich noch eine Vielzahl weiterer Insekten und anderer Lebenwesen, die als Nützlinge fungieren. Aber auch alle Arten, die nicht speziell als Nützlinge eingestuft sind, leisten einen wichtigen Beitrag dazu, ein stabiles Agrarökosystem aufzubauen und aufrechtzuerhalten.

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