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Die Apfelallergie - Was ist das genau?

Grundlagen und verschiedene Typen

Autor: Dr. Michael Neumüller
Zuletzt bearbeitet: 10. Januar 2025

Die Apfelsorte Gräfin Goldach reift Ende September/Anfang Oktober. Ihre eher süßen, festfleischigen Früchte sind bis ins Frühjahr lagerfähig. Der Baum ist robust und reichtragend. Die allergikerfreundliche Apfelsorte wurde in Bayern gezüchtet.

Knapp 10% der Bevölkerung Mittel- und Nordeuropas können die meisten frischen Äpfel nicht genießen: Sie leiden an der sogenannten Mal d 1-Apfelallergie. Dabei ist eines nachweislich richtig: Es gibt Apfelsorten, die bei den meisten Mal d 1-Apfelallergikern keine oder nur schwache allergische Reaktionen hervorrufen, wenn sie frische Früchte essen. Woran liegt das und wie kann man herausfinden, welche Apfelsorten für Allergiker verträglich sind?

In der Literatur, auf Websites und in Social Media-Kanälen gibt es eine unüberschaubare Fülle an Beiträgen zu diesem Thema. Dabei wird ein und dieselbe Apfelsorte zuweilen als verträglich, zuweilen als unverträglich für Apfelallergiker bezeichnet. Dies führt zu starker Verunsicherung bei den Menschen, die an Apfelallergie leiden, bei den Ärzten, die nicht wissen, welche Apfelsorte sie ihren Patienten empfehlen sollen, bei den Obsterzeugern, die gerne allergikerfreundliche Sorten anbieten würden und bei den Gartenbesitzern, die sich gerne einen Baum einer allergikerfreundlichen Sorte pflanzen würden. Es ist also angebracht, Vermutungen und vage Einschätzungen von Fakten zu trennen und Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Was ist eine Allergie?

Aufgabe des menschlichen Immunsystems ist, Stoffe und Organismen, die schädlich für den Körper sind oder werden können, zu erkennen und unschädlich zu machen. Bei einer Allergie zielt das Immunsystem des Körpers fälschlicherweise auf einen Stoff, der für den Körper gar keine Gefahr darstellt. Als Folgen dieser mitunter heftigen und schnell einsetzenden Abwehrreaktion treten die typischen Allergie-Symptome auf.

Wie wird eine Allergie ausgelöst?

Jede Allergie hat eine stoffliche Grundlage. Der Stoff, der Auslöser einer speziellen Allergie ist, wird Allergen genannt. Allergene gehören wie alle Stoffe, gegen die das Immunsystem Antikörper bildet, zu den Antigenen (Antigen = Antikörper generierender Stoff). Sehr häufig sind es Eiweiße (Proteine), die als Antigen wirken. Genau betrachtet löst nicht ein ganzes Protein, sondern ein bestimmter Bereich dieses Proteins mit spezifischer räumlicher Struktur und elektrischer Ladung die Bildung von Antikörpern aus. Diesen Bereich nennt man Epitop. Ein und dasselbe Protein kann verschiedene Epitope haben, ebenso kann ein Epitop auf der Oberfläche eines Proteins mehrfach vorkommen.

Eine typische Lebensmittel-Allergie entsteht in zwei Schritten:

  1. Der Körper des späteren Allergiepatienten kommt in Kontakt mit einem an sich harmlosen Stoff X, der Bestandteil des Lebensmittels ist. In seinem Körper wirkt X als Antigen: das Immunsystem bildet spezifische Antikörper gegen eine Teilstruktur (Epitop) von X. Beim ersten Kontakt des Körpers mit dem Allergen dauert es relativ lange, bis Antikörper gebildet werden. Es kommt noch nicht zur Ausprägung einer Allergie. Das Immunsystem ist nun aber in einer Art „Hab-Acht-Stellung“. Z. B. zirkulieren bestimmte Zellen des Immunsystems (sog. Mastzellen) in der Lymphe und im Blut, die auf Ihrer Oberfläche Antikörper tragen, die an X binden.
  2. Beim zweiten Kontakt mit dem Stoff X geht es nun sehr schnell: Die Mastzellen, die in der Mundschleimhaut gehäuft vorkommen, erkennen X und schütten innerhalb von Sekunden Histamin aus. Histamin veranlasst z. B., dass sich die Blutgefäße schlagartig weiten. Dadurch wird das Gewebe schneller durchblutet (Rötung). Flüssigkeit kann sich im Gewebe einlagern, was zur Quaddelbildung beiträgt. Juckreiz entsteht. Andere an der Immunreaktion beteiligte Zellen werden zum Ort der Histaminausschüttung dirigiert. Die allergischen Symptome prägen sich voll aus. Damit ist der Stoff X zum Allergen geworden.

Unterschied der Apfelallergien Mal d 1 und Mal d 3 anhand von Symptomen

  • Mal d 1-Apfelallergiker vertragen keine frischen Äpfel. Gekocht (Apfelkuchen) oder erhitzt (pasteurisierter Saft) lösen die Früchte keine Allergie aus. Symptome sind meist ein Anschwellen und Juckreiz an der Mundschleimhaut und im Rachenraum. Sehr häufig haben Mal d 1-Apfelallergiker gleichzeitig eine Allergie gegen Birken- und auch Haselnusspollen (Kreuzallergie). Ein Schälen der Äpfel mindert die Symptome kaum. In Mitteleuropa und damit auch im deutschsprachigen Raum ist diese Apfelallergie in der Bevölkerung mit großem Abstand am meisten verbreitet. Die Symptome können sehr unterschiedlich stark ausfallen. Manchmal kommen sie einzeln, mitunter kombiniert vor. Sie klingen meistens spätestens 30 Minuten nach dem Kontakt mit dem Mal d 1-Protein wieder ab, nur gelegentlich dauert es etwas länger. Verdauungsbeschwerden und Durchfall sind keine Symptome der Mal d 1-Apfelallergie. Das liegt daran, dass das Allergen spätestens im Magen denaturiert wird und seine Eigenschaft als Allergen verliert.
  • Mal d 3-Apfelallergiker bekommen in der Regel Beschwerden im Verdauungstrakt, z. B. Durchfall, auch Hautausschläge oder gar Atemnot sind möglich. Geschälte Früchte werden deutlich besser vertragen als mit Schale verzehrte. Auch erhitzte Apfelprodukte lösen die Allergie aus (z. B. Saft oder Apfelkuchen). Dieser Typ der Apfelallergie ist in Mitteleuropa nur sehr wenig verbreitet; in Südeuropa gibt es mehr Patienten, die darunter leiden. Die Mal d 3-Proteine sind recht stabil gegen Hitze und pH-Wert-Schwankungen, so dass sie weder beim Kochen noch im sauren Magenmilieu denaturiert werden. Das Fruchtfleisch enthält im Gegensatz zur Schale nur sehr wenige Mal d 3-Proteine, so dass geschälte Früchte oft gut vertragen werden.

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Mal d 1-Apfelallergie, die hinsichtlich der Anzahl betroffener Personen einzig relevante Form der Apfelallergie im deutschsprachigen Raum.

Was hat die Birkenpollenallergie mit der Apfelallergie zu tun?

Eiweiße bestehen aus Aminosäuren, die in bestimmter Reihenfolge aneinandergefügt sind. Selbst Eiweiße mit unterschiedlicher Größe und Funktion können sich in Teilabschnitten gleichen. Darüberhinaus gibt es in verschiedenen Pflanzenarten Eiweiße, die sich relativ ähnlich sind, auch wenn die Pflanzenarten nicht nahe miteinander verwandt sind. So verhält es sich mit Eiweißen, die im Pollen der Birke, der Haselnuss und der Erle vorkommen; sie sind den Mal d 1-Proteinen des Apfels relativ ähnlich.

Nun verhält es sich so, dass viele Menschen gegen Birkenpollen eine Allergie entwickeln. Birken sind Windbestäuber, und in der Blütezeit der Birke zwischen (je nach Jahreswitterung, Region und Birkenart- und -genotyp) Februar und Mai sind mitunter große Mengen an Birkenpollen in der Luft enthalten. In großen Mengen gelangen die Pollen über die eingeatmete Luft in die Atemwege. Diesem Kontakt mit dem Allergen kann sich kein Birkenpollenallergiker entziehen, so dass es immer wieder zu Kontakt mit großen Mengen des Allergens kommt, was die Symptome der Allergie immer weiter verstärkt. Verantwortlich für die Allergie gegen Birkenpollen ist die Gruppe der Bet v1-Proteine.

Entscheidend ist nun, dass sich die Bet v 1 und die Mal d 1-Proteine so ähnlich sind, dass viele Antikörper, die der Körper gegen die Bet v 1-Eiweise des Birkenpollens gebildet hat, auch an die Mal d 1-Proteine des Apfels binden. Dieses Phänomen nennt man Kreuzreaktivität: Ein Antikörper kann an zwei unterschiedliche Proteine binden, weil die Epitope (Bindestellen der Antikörper) der beiden Proteine identisch oder sehr ähnlich sind. Hat eine Person also eine Allergie gegen Birkenpollen entwickelt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie „nebenbei“ auch eine Allergie gegen Apfelfrüchte hat, selbst wenn sie gar keine Äpfel gegessen hat.

Gleiches gilt für den Pollen von Haselnüssen und Erlen, wenngleich hier die Kreuzreaktivität etwas geringer ist: Trotzdem sind entsprechenden Proteine so ähnlich, dass die gegen Haselnuss- und Erlenpollen gebildeten Antikörper auch an die Mal d 1-Proteine der Apfelfrucht binden. Weil der Flug der Haselnusspollen in manchen Jahren schon im Januar beginnt, verlängert sich die Zeit, während der der Patient großen Mengen an Allergenen ausgesetzt ist, nochmals. In der Zeit des Pollenflugs ist die Zahl der Mastzellen, an die in den Mundschleimhäuten Mal d 1-Proteine binden können, deutlich erhöht, so dass beim Essen frischer Äpfel sehr viel Histamin freigesetzt wird. Entsprechend empfindlicher reagieren Apfelallergiker in dieser Zeit auf Äpfel.

Checkliste: Bin ich allergisch gegen Äpfel (Mal d 1-Apfelallergie)?

Bitte beachten Sie: Eine exakte Bestimmung, ob und welche Form der Apfelallergie im Einzelfall vorliegt, ist zweifelsfrei nur durch eine exakte medizinische Untersuchung durch einen entsprechend ausgebildeten Arzt möglich!

  1. Kommen die Symptome der Allergie in erster Linie im Mund-Rachen-Raum vor?
  2. Treten ein oder mehrere folgender Symptome auf:
    • a. Rötung und/oder Anschwellen der Schleimhaut im Mund und Rachen
    • b. Juckreiz und/oder pelziges Gefühl an diesen Stellen
    • c. Erhöhtes Bedürfnis, sich zu räuspern
  3. Wird die Allergie nicht ausgelöst, wenn sie erhitzte Produkte wie Apfelsaft, Bratäpfel oder Apfelkuchen trinken bzw. essen?
  4. Leiden Sie an einer Allergie gegen Birkenpollen (und/oder Haselnuss bzw. Erle)?

Werden die meisten dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet, liegt mit hinreichender Sicherheit eine Mal d 1-Apfelallergie vor.

Auf der Unterseite Allergikerfreundliche Apfelsorten werden wir uns mit den Unterschieden im allergenen Potential von Apfelsorten befassen.

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