Der Schnitt von Halb- und Hochstämmen
Die Pyramidenkrone als Baumform für großkronige Obstbäume


Das Prinzip
Die Spindel ist eine sehr gut geeignete Kronenform für die Erziehung kleinkroniger Bäume. Sollen Obstbäume mit großen, ausladenden Kronen (wie bei Halb- und Hochstämmen) erzogen werden, bietet sich die sog. Pyramidenkrone an. Sie besitzt neben der Stammverlängerung drei bis vier stabile Seitenäste, die im Winkel von ca. 40–50° von der Stammverlängerung abgehen. Man bezeichnet sie als Leitäste. Die Leitäste sind möglichst symmetrisch um den Stamm angeordnet. Sie erschließen als stabile, die Fruchtäste tragende Elemente den Standraum, den die Krone ausfüllt. (Der Ansatz des untersten Leitasts bestimmt die Stammhöhe, die sehr variabel ist, je nach Bedürfnis des Gärtners. Buschbäume haben oft 60-100 cm hohe Stämme, Halbstämme haben ca. 120 cm und Hochstämme ca. 180 cm hohe Stämme. Dies sind aber rein willkürliche Maße.) Man kann sich die Pyramidenkrone ganz einfach als Baumform vorstellen, die aus einer normalen (Stammverlängerung) und drei bis vier schräg liegenden Spindeln (Leitästen) zusammengesetzt ist. Die Leitäste sind gewissermaßen schräge, halbseitige Spindeln, deren Seitenäste nur nach außen, nicht aber nach innen Richtung Stammverlängerung zeigen; die nach innen wachsenden Triebe werden nämlich beizeiten entfernt. Das obenstehende Photo eines vorbildlich als Pyramidenkrone erzogenen Apfelhalbstamms zeigt die wichtigsten Elemente.
Warum braucht man die Pyramidenkrone für große Baumformen?
Spindeln haben eine maximale Breite von ca. 3 m. Alle Baumformen, die breiter sind, brauchen stabile tragende Elemente, die den Standraum sinnvoll erschließen. Diese Funktion erfüllen bei der Pyramidenkrone die Leitäste.
Jeder Leitast ist eine etwa halbseitige Spindel, die Seitenäste nur nach außen, nicht aber nach innen (Richtung Stammverlängerung) bildet. Die Seitenäste der Leitäste sind die eigentlichen Fruchtäste. Wer eine Spindel erziehen kann, tut sich also auch mit einer Pyramidenkrone nicht schwer.

mögliches Pflanzmaterial für Pyramidenkronen und zugehöriger Pflanzschnitt
Wenn man mit der Erziehung einer Pyramidenkrone beginnt, braucht man eine Stammverlängerung und drei bis vier gut verteilte Leitäste. Dies ist bei Baum 6 bereits der Fall. Oft ist das Pflanzmaterial aber etwas schwächer, was kein Problem darstellt:
- Ist der Baum zu kurz (ist er also kürzer als die gewünschte Stammhöhe + 30 cm), bleibt er unbeschnitten.
- Setzen die Seitentriebe zu niedrig an, werden sie entfernt. Die Stammverlängerung wird 30 cm über der gewünschten Stammhöhe abgeschnitten.
- Hat der Baum noch keine Seitentriebe gebildet, wird er 30 cm oberhalb der gewünschten Stammhöhe abgeschnitten.
- Setzt die Verzweigung zu hoch an, wird die Stammverlängerung 30 cm oberhalb der Stammhöhe abgeschnitten.
- Gibt es Seitentriebe in der gewünschten Höhe, aber sind diese nur schwach oder ziemlich ungleich stark, werden sie auf einen Stummel von 1–3 Knospen zurückgeschnitten, die Stammverlängerung auf 30 cm über der Stammhöhe.
Aus Variante 1 entwickelt sich innerhalb eine Jahres Variante 2, aus den Varianten 2 bis 5 wird Variante 6, die wir uns nachstehend genauer ansehen:

Pflanzschnitt bei der Pyramidenkrone (Baum 6 in der obigen Skizze)
Unter den vorhandenen Trieben werden drei bis vier gleichmäßig um die Stammverlängerung verteilte Triebe als künftige Leitäste ausgewählt. Sofern ein steil stehender Konkurrenztrieb K vorhanden ist, wird dieser entfernt. Die Leitäste L1-3 werden so angeschnitten, dass die Enden auf gleicher Höhe vom Boden abgeschnitten werden („Saftwaage“). Die Stammverlängerung S wird 15-30 cm höher als die Leitäste angeschnitten. Sollten noch mehr Triebe vorhanden sein, werden diese entfernt oder waagrecht gebunden.
Mitunter haben die künftigen Leittriebe nicht den optimalen Abgangswinkel von der Stammverlängerung. Dann müssen sie vor dem Schnitt formiert werden (s. nachfolgende Skizze).
Der beste Zeitpunkt für die Schnittmaßnahmen ist im März kurz vor dem Austrieb.

Was macht man, wenn die Leitäste nicht im gewünschten Winkel von der Stammverlängerung abgehen?
Die Leitäste (L1, L2, L3) sollten in einem Winkel von 40-50° von der Stammverlängerung abgehen (L2). Sind sie zu flach (L1), werden sie z. B. mit einer Schnur nach oben gebunden, bis der gewünschte Winkel erreicht ist. Andernfalls spreizt man sie mit einer Astklammer oder mit einem eingeklemmten Astspreizer von der Stammverlängerung ab (L3).
Der etwas schwächere Trieb F wird nicht als Leitast benötigt und entspringt unterhalb des untersten Leitastes vom Stamm. Früher hätte man diesen Trieb einfach weggeschnitten. Wer bald schon die ersten Früchte am Baum hängen sehen möchte, belässt diesen Trieb und stellt ihn waagrecht. (Er wird dann rasch Kurztriebe bilden und Blütenknospen ansetzen.)
Nun müssen die Leitäste und die Stammverlängerung nur noch angeschnitten werden (s. oben).

Sommerschnitt der Pyramidenkrone im ersten Standjahr
Im März wurden die Leittriebe und die Stammverlängerung zurückgeschnitten. Unterhalb dieser Schnittstellen bilden sich bis zum Sommer längere und kürzere Triebe. Anfang Juli sehen wir uns jeden Leittrieb separat an:
- Ist ein Konkurrenztrieb vorhanden, wird er abgeschnitten.
- Triebe, die länger als 20 cm sind und ins Kroneninnere wachsen, werden ebenfalls entfernt.
- Nach außen wachsende Triebe, die länger als 20 cm sind, werden waagrecht gebunden und so zu Fruchtästen umgewandelt.
Bei der Stammverlängerung gehen wir analog vor:
- Hier brauchen wir im Normalfall außer dem Konkurrenztrieb keine Triebe wegzuschneiden.
- Stattdessen achten wir darauf, dass die Seitentriebe zwischen zwei Leitästen hindurchwachsen. Ggf. müssen die Seitentriebe mit einer Astklammer oder einer Schnur in die richtige Richtung gelenkt werden. Sie sollen nicht direkt auf die Leitäste zuwachsen.
Der im Winter waagrecht gestellte unterste Trieb bildet bereits Kurztriebe mit Blütenknospen.

Wie geht es in den Folgejahren weiter?
Wenn Sie ältere Baumkronen schneiden, gehen Sie weiterhin nach dem gleichen Schema vor:
Vor Erreichen der Soll-Höhe:
- Suchen Sie die Leitäste und die Stammverlängerung.
- Bei jedem Leitast entfernen Sie eventuell vorhandene Konkurrenztriebe sowie alle Triebe, die länger als 30 cm sind und ins Kroneninnere wachsen.
- Bei der Stammverlängerung entfernen Sie ggf. den Konkurrenztrieb.
- Bei Leitästen und der Stammverlängerung bringen Sie neu hinzugewachsene Äste in die waagrechte Position, damit sie schnell zu Fruchästen werden.
- Werden bestehende Fruchtäste zu lang oder neigen sie sich stark nach unten, kürzen Sie sie etwas ein (Ableiten der Seitentriebe wie bei der Spindelerziehung).
- Wurden unterhalb des ersten Leitastes am Stamm Fruchtäste belassen, werden diese nach ca. 6-8 Jahren am Stamm abgeschnitten, weil sie dann von der Krone zu sehr beschattet werden.
- Schneiden Sie die Verlängerungen der Leitäste in der Saftwaage an und die Stammverlängerung ca. 40-90 cm darüber, bis die Endhöhe des Baumes erreicht ist.
Buschbäume erreichen ihre Endhöhe nach ca. 7 Jahren, Halb- und Hochstämme nach ca. 12-16 Jahren.
Nach Erreichen der Endhöhe:
Ist die Endhöhe erreicht, geht man dazu über, die Leitäste und die Stammverlängerung abzuleiten, wie wir es bei der Erziehung des Spindelbusches besprochen haben.
Bilden sich an den waagrecht von den Leitästen abgehenden Fruchtästen Triebe, die länger als ca. 30 cm sind, werden sie auf kürzer ansetzende Seitentriebe abgeleitet oder ganz entfernt.